Würfel aus Widerständen          

von Peter Gerber, HB9BNI            

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Die Lötübungen mit dem Lehrer Burkhard Kainka (http://www.elektronik-labor.de/Kommentar/Okt22.html ) haben mich an meine Frühzeit als werdender Funkamateur erinnert. Die damals (muss so um 1965 gewesen sein) übliche Methode, die Lötkünste der Jugendlichen zu optimieren, bestand in der Aufgabe, einen Würfel aus 12 neuwertigen Widerständen zusammenzulöten. Je exakter der Würfel, desto geschickter der junge Löter. Und der zukünftige Bastler lernte dabei auch, dass Lötkolben ein gefährliches und ein weniger gefährliches Ende haben, zumindest wenn das Netzkabel einigermassen intakt war.

Mein damaliger Mentor hat mir also 12 Widerstände gegeben und war sehr erstaunt, dass er schon wenige Tage später einen (fast) perfekten Würfel bestaunen konnte. Ich musste ihm dann sagen, wie ich das gemacht habe: Wellpappe, Widerstände im Quadrat mit Stecknadeln fixieren, und das zweimal. Dann senkrechte Widerstände an die Basisquadrate anlöten (der haltende Finger kann also weit ausserhalb der Lötkolbenspitze bleiben), die anderen Enden durch Löcher in der zweiten Wellpappe hindurchführen, die obere Wellpappe geeignet unterstützen und fertiglöten. Dann natürlich die Wellpappe entfernen. Leicht und ohne Verbrennungsfahr.

Vor einigen Jahren habe ich mich dann daran erinnert und mich gefragt,welche Widerstände ich wohl an diesem Würfel gemessen hätte.

 

Deshalb die Frage:
- Wie viele unterschiedliche Widerstände würde man messen können, wenn alle eingelöteten Bauteile z.B. 1000 Ohm gehabt hätten?
- wie gross wären die gemessenen Widerstände in jedem dieser Fälle gewesen?


Kleiner Hinweis:

In allen möglichen Fällen, bis auf einen, kann man das Resultat mit den üblichen Formeln für Parallelschaltung und Serienschaltung von Widerständen berechnen. Man braucht dazu nicht einmal einen Taschenrechner, aber einen zusätzlichen Trick. In einem Fall habe ich diesen Trick nicht anwenden können und musste zu LTSpice greifen.

Man kann übrigens auch bei unterschiedlichen Werten der Widerstände jedes Netz aus maximal 4 Widerständen derart elementar berechnen. Bei 5 Widerständen ist das nicht mehr immer möglich, man muss dann die ganze rohe Gewalt der beiden Kirchhoff’schen Gesetze bemühen.

Wenn das stimmt, welchen Widerstand messe ich denn zwischen A und B?

Auch hier braucht es einen kleinen Trick, aber einen anderen als oben.

 

Antworten

Zunächst zur letzten Frage: Die Widerstände sind parallel geschaltet. Man erkennt das am leichtesten, wenn man alle Drähte, die von A ausgehen mit einer Farbe markiert und alle Drähte, die von B ausgehen mit einer anderen Farbe. Jeder der Widerstände hat dann ein Ende mit der einen und das andere Ende mit der andren Farbe markiert und kein Draht bleibt ungefärbt. Mein Taschenrechner kommt auf 54.54 Ohm.

Zum Würfel:

In einem Würfel gibt es nur drei mögliche Beziehungen zwischen zwei beliebigen Ecken: Entweder sie liegen eine Kante, eine Flächendiagonale oder eine Raumdiagnonale voneinander entfernt.

Es gibt 12 Kanten, 6 Flächen mit je 2 Flächendiagnonalen, also auch 12 Möglichkeiten, sowie 4 Raumdiagonalen. Macht zusammen 28 mögliche Messungen. Bei Bauteilen, die zwei unterschiedliche Enden haben, zum Beispiel bei Dioden, wären es natürlich doppelt so viele, weil die Messung nach dem Vertauschen der beiden Messspitzen unterschiedlich ausfallen.

Man kann aber auch anders rechnen: Man setzt die Messspitze an einer Ecke an und kann dann gegen 7 andere Ecken messen. Anschliessend setzt man die Messspitze an die zweite Ecke, hat dann aber nur noch 6 noch nicht gemessene Ecken vor sich, gegen die erste Ecke hat man ja schon gemessen. Die Gesammtzahl möglicher Messungen beträgt also 7 + 6 + 5 + 4 + 3 + 2 + 1 = 28.

Der junge Carl Gauss (https://de.wikipedia.org/wiki/Carl_Friedrich_Gau%C3%9F ) hätte diese Anzahl von Möglichkeiten rechnerisch einfacher gefunden. Sein Lehrer Büttner liess seine Schüler gerne längere Rechenaufgaben lösen, einmal wünschte er die Addition aller Zahlen von 1 bis 100. Gauss soll im nach wenigen Minuten die korrekte Lösung auf seine Tafel geschrieben haben: 5050. Gauss hatte die Lösung wohl nicht über eine Formel gefunden, aber gemerkt, dass die erste (1) und die letzte (100) Zahl zusammen 101 geben, ebenso die zweite und die zweitletzte usw bis zur 50. und die 51. 50 * 101 = 5050, multiplizieren konnte er offenbar schon.

Nun zu den möglichen drei Messergebnissen. Ich beginne mit der Raumdiagonalen als Entfernung der beiden Messpunkte.

Ich stelle den Würfel auf eine Ecke, die Ecke die dann oben ist, ist eine Raumdiagnonale von der Ecke unten entfernt.

 

Von der oberen wie auch von der unteren Ecke gehen drei Kanten ab, die ich hier rot, blau und grün angemalt habe. Es sind also noch 6 Kanten übrig, die jeweils paarweise vom anderen Ende der rot/blau/grün gefärbten Kanten abgehen und in anderer Paarung an den freien Enden der unteren rot/blau/grünen Kanten enden.

Man kann das nicht vollständig und ohne Übereschneidung in eine Ebene drücken, aber der Zusammenhang der Kanten sieht dann so aus:

Ein Elektron, das nun von A nach B „durchgedrückt" wird, hat keinen Grund, einen der möglichen Wege bevorzugt zu nehmen. Es kann durch rot, grün oder blau gehen, in jedem Fall sieht das andere Ende des Widerstandes gleich aus: zwei Möglichkeiten, pink zu nehmen (orange hatte ich nicht bei den Buntstiften). Auch das andere Ende der pinken Widerstände sieht gleich aus: es kommt ein anderer pinker Widerstand dazu und dann geht es (ohne Wahl) durch rot, grün oder blau, die auch alle gleich sind.

Da kein Grund besteht, einen der Wege vorzuziehen, werden gleich viele Elektronen oben rot, grün oder blau wählen, die Ströme durch die drei obersten Widerstände werden also gleich gross sein. Gleicher Strom durch gleichen Widerstand heisst aber auch gleicher Spannungsabfall am Widerstand. Wenn man die Spannung am unteren Ende der drei oberen Widerstände gegen einen beliebigen Bezugspunkt misst, ist sie immer gleich gross.

Nun kommt der Trick: Punkte gleicher Spannung (gleichen Potentials) darf man mit beliebig grossen Widerständen verbinden, unabhängig davon, ob schon welche Widerstände da sind. Durch diese neuen oder geänderten Widerstände wird kein Strom fliessen, weil keine Spannungsdifferenz zwischen den Enden des Widerstandes besteht. Die Änderung ist also rein optisch, physikalisch ändert sich nichts.

Ich verbinde also die unteren Enden der drei oberen Widerstände und auch die oberen Enden der drei unteren Widerstände jeweils mit einem 0 Ohm Draht (hier grau und etwas ausgedehnt dargestellt).

 

Und nun ist die Rechnung rasch gemacht: Jeder Widerstand hat 1000 Ohm, ich rechne und messe 833.3 Ohm.

Der zweite Fall mit einer Flächendiagnonalen als Abstand zwischen den Messpunkten lässt sich ähnlich auflösen. Allerdings ist er nicht ganz so einfach. Man hat vier Wege für das Elektron, von denen jeweils zwei gleich sind und zusammengelegt werden können. Die dann verbliebenen zwei Wege weisen auch jeweils je einen Punkt mit gleichem Potential auf, so dass die störenden Widerstände zwischen diesen beiden Punkten durch einen 0 Ohm Draht ersetzt werden können.

Auf dieser Skizze liegt das obere Ende von Widerstand 7 eine Flächendiagnonale vom unteren Ende von Widerstand 5 entfernt. Ein schönes Übungsbeispiel um den obigen Trick anzuwenden.

Für die Entfernung um eine Kante der beiden Messstellen habe ich keine solche Lösung gefunden. Hier meine Zeichnung der Situation.

Ich musste das Netzwerk in LTSpice aufbauen, eine Spannung anlegen und den Strom messen. Bei 10 V sind es 17.14 mA, macht 583 Ohm.

(Die Nummern der Widerstände in LTSpice stimmen nicht mit den Nummern auf den Zeichnungen überein)

Nun kann man einwenden, die obige Zeichnung sei doch schön symmetrisch, da müsste doch etwas zu vereinfachen sein. Symmetrisch ist sie schon, die Zeichnung, aber eben symmetrisch zur falschen Achse. Im Gegensatz zu den beiden vorherigen Situationen fliesst hier der Strom horizontal, nicht mehr vertikal. Es war einfacher, die Zeichnung so aufzubauen.

Dreht man die Zeichung um 90 Grad, so dass der Strom jetzt auch vertikal fliesst, ist es mit der Symmetrie um eine Achse parallel zum Strom sichtbar vorbei.

Die Simulation in LTSpice misst einen Strom von 17.14 mA bei 10 Volt Spannung, also einen Widerstand von 583.3 Ohm.

Ach ja: für fanatische Widerstandsrechner empfiehlt sich wohl das Ikosaeder als kantenreichster der 5 platonischen Körper. Ich bin mir ziemlich sicher, dass nur die Widerstandsmessung an zwei gegenüberliegenden Punkten, also an den Enden der längsten Raumdiagonale eine Vereinfachung erlaubt. Blosses Betrachten des stereoskopischen Bildes zeigt ebenfalls, wie beim Würfel, drei Stockwerke von Widerständen. Nach Ersatz von je 5 Widerständen an der Grenze der Stockwerke durch Drähte lässt sich der Widerstand angeben: (1/5 + 1/10 + 1/5) *1000 Ohm = 500 Ohm.

Beim Dodekaeder lassen sich für die längste Raumdiagonale auch genügend Symmetrien finden, um Widerstände zu eliminieren bzw durch 0-Ohm Drähte zu ersetzen. Die im folgenden Schema horizontal gezeichneten Widerstände R25 bis R30 führen keinen Strom (in LTSpice unter 0.001 Femtoampère!), können also weggelassen oder durch 0-Ohm Brücken ersetzt werden. Der Widerstand beträgt (7/6)*R = 1166.7 Ohm.

 

 

Sicherheitshalber habe ich mit LTSpice nachgemessen.

Bei der zweitlängsten Raumdiagonalen lassen sich zwar 2 Widerstände finden, die keinen Strom führen, aber deren Ersatz durch 0 Ohm vereinfacht die Situation nicht genügend.

Die restlichen beiden platonischen Körper, Tetraeder und Oktaeder sind trivial. Das Tetraeder hat keine Raum- oder Flächendigonalen, es gibt nur Messungen mit einer Kante zwischen den Messpunkten, und die lassen sich problemlos reduzieren: R = 500 Ohm. Beim Oktaeder, auch ohne Flächendiagonalen, ist der Fall der Raumdiagonalen problemlos zu reduzieren (alle Widerstände, die nicht mit einem Ende am Messinstrument hängen, fallen weg), ebenfalls 500 Ohm. Die Messung mit einer Kante zwischen den Messpunkten sieht auch ziemlich symmetrisch aus, eine mögliche Reduktion habe ich nicht gefunden. Es dürfte auch keine geben, keiner der Widerstände führt 0 A Strom. Der Widerstand ist 416.6 Ohm.

 


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