An dieser Stelle wurde kürzlich eine alte LCR-Messbrücke vorgestellt (Labortagebuch 21.2.25:
LCR-Messbrücke BR-8S). Ich habe den Aufbau und die Funktion des Geräts näher untersucht und möchte die Ergebnisse hier beschreiben.
Widerstandsmessung (R-Messung)
Widerstandsmessungen kann man einfach und genau mit jedem
Digitalmultimeter durchführen. In diesem Messbereich lässt sich aber
das Prinzip einer Messbrücke besonders verständlich erläutern. In Bild
1 wurden die wichtigen Teile der Schaltung des Geräts übersichtlicher
herausgezeichnet.
Eine Messbrücke besteht aus zwei Zweigen, die parallel geschaltet sind.
Jeder Zweig ist ein Spannungsteiler. Wenn die Widerstandsverhältnisse
in beiden Zweigen gleich sind, wird die Querspannung null, das
eingezeichnete Voltmeter zeigt also null. Der verstellbare Widerstand
R3 wird also so eingestellt, dass das Voltmeter null anzeigt, die
Brücke ist damit „abgeglichen“. An einer angebrachten Skala kann man
die Stellung des Widerstands ablesen. Man kann die Beschriftung so
machen, dass der Wert des zu messenden Widerstands Rx direkt abgelesen
werden kann, gegebenenfalls mit einem Messbereichsfaktor multipliziert.
Um R3 möglichst genau zu kennen, wird in dem Industriegerät eine
schaltbare Widerstandskette (Dial) verwendet. Es können damit drei
signifikante Ziffern ermittelt werden, eine vierte ist abschätzbar. Wer
als Bastler den Aufwand scheut, kann auch ein normales Potentiometer
verwenden und den Widerstandswert mit einem Multimeter ausmessen.
Dieser Tipp gilt natürlich besonders für die folgenden L- und
C-Messungen. Für die R-Messung kann die Brücke auch mit Gleichspannung
gespeist werden. Für die folgenden Messungen ist aber Wechselspannung
nötig. In diesem Fall muss das Instrument Wechselspannungen anzeigen
können. In dem Industriegerät wird die Querspannung mit einem
Wechselspannungsverstärker verstärkt, ehe sie gleichgerichtet und dem
Drehspulinstrument zugeführt wird. Es ist selbstverständlich auch
möglich, hier ein Multimeter mit einem ausreichend kleinen
Wechselspannungs- oder Strommessbereich zu verwenden, um möglichst
genau auf null abgleichen zu können.

Bild 1: AC Bridge BR-8S. Prinzipschaltplan für Widerstandsmessung. Die Messbereiche (Range) sind im Foto zu erkennen.
Berechnung:
Die beiden Brückenzweige liegen an der gemeinsamen Spannung U. Diese
Spannung wird in die Teilspannungen U1 und U2 aufgeteilt. Bei
abgeglichener Brücke gilt das für beide Zweige. Es ist somit:
U1/U2 = R1/Rx = R2/R3 oder Rx = R1*R3/R2
Weil R1 und R2 Konstanten sind, ist Rx proportional zu R3.
Kapazitätsmessung (C-Messung)
Zur Kapazitätsmessung befindet sich in beiden Zweigen eine
Reihenschaltung eines Widerstands und eines Kondensators, man nennt
dies auch ein RC-Glied. Es ist leicht einzusehen, dass die Brücke
abgeglichen ist, wenn in beiden Zweigen die Widerstände und die
Kapazitäten gleich sind. Die Brücke ist aber auch abgeglichen, wenn z.
B. C1 doppelt so groß wie Cx ist und wenn die Widerstände im rechten
Zweig dann halb so groß sind. Dann fließt nämlich im rechten Zweig der
doppelte Strom und der Spannungsabfall an R2 ist wieder gleich dem an
R1 und der Spannungsabfall an R3 ist gleich dem an Rx.
Es ist also: Cx / C1 = R2 / R1 oder Cx = R2 * C1 / R1
und Rx / R3 = R1 / R2 oder Rx = R1 * R3 / R2
Weil R2 und R3 variabel sind, muss man beide Widerstände bedienen, um
die Brücke abzugleichen und Rx kann auch nicht direkt an einer Skala
bei R3 abgelesen werden.
Was hat es nun mit Rx auf sich? Reale Kondensatoren sind keine reinen
Kapazitäten, denn durch den ständigen Polaritätswechsel entsteht im
Dielektrikum Wärme, also eine Wirkleistung. Im Ersatzschaltbild wird
das durch einen Wirkwiderstand dargestellt. Der Kondensator verhält
sich also wie ein RC-Glied, die Frequenz spielt aber beim Abgleich der
Brücke keine Rolle. Die Betriebsspannung muss somit auch keine reine
Sinusspannung sein, weil die höherfrequenten Oberwellen die gleiche
Wirkung wie die Grundwelle haben. Die Angaben zu den Kondensatoren
beziehen sich aber üblicherweise auf 1 kHz. Der Vergleichskondensator
C1 ist natürlich auch keine reine Kapazität. Sein Verlustwiderstand
muss also zu R3 addiert werden. Wenn der Vergleichskondensator eine
ähnliche Qualität wie Cx hat, erhält man R3 = 0 und Rx = 0, was aber
nicht stimmt.
Bild 2 : AC Bridge BR-8S. Prinzipschaltplan für Kapazitätsmessung
Der Verlustwinkel bei Kondensatoren
In Kondensatoren entstehen Verluste im Dielektrikum und im
Ohm’schen Widerstand der Kondensatorfolien. Im Ersatzschaltbild findet
man deshalb neben der Kapazität C auch einen Wirkwiderstand. Dieser
wird wahlweise in Reihe oder parallel zu C gezeichnet.
Bei der Reihenschaltung fließt in beiden Bauteilen derselbe Strom. Die
Spannung an Rr ist in Phase zum Strom. Die Spannung an C eilt dem Strom
um 90° nach. Die geometrische Summe der beiden Spannungen ist die
Gesamtspannung. Diese eilt – frequenzabhängig – dem Strom um den
Phasenwinkel phi nach. An Stelle der Zeiger für die Spannungen kann man
auch die Widerstände zeichnen. Der kapazitive Widerstand ist Xc = 1 /
(omega * C).
omega ist die „Kreisfrequenz“. Es ist omega = 2 Pi * f. Dabei ist f die Frequenz in Hertz (Hz).
Wie man in dem Zeigerbild sieht, ist der Verlustwinkel: tan delta = Rr * omega * C.
Rr ist proportional zu tan delta und man kann somit an der Skala
von R3 den Wert von tan delta anschreiben. Mit den oben gefundenen
Gleichungen für Cx und Rx erhält man:
tan delta = omega * C1 * R3 (Rr ist Rx, C ist Cx)
Im Falle der Parallelschaltung liegen beide Bauteile an derselben
Spannung und die Ströme sind phasenverschoben. Die Ströme durch C und
Rp addieren sich geometrisch zum Gesamtstrom. An Stelle der Ströme kann
man auch die Leitwerte zeichnen. Der Leitwert ist der Kehrwert des
Widerstands.
Es ist somit: tan delta = 1 / (Rp * onega * C)
Weil man das Ersatzschaltbild so oder so zeichnen kann, kann man analog
auch im rechten Brückenzweig den variablen Widerstand R3 in Reihe oder
parallel zum Vergleichskondensator schalten (der Prüfling bleibt
natürlich immer der gleiche, unabhängig vom Ersatzschaltbild).
Der Verlustfaktor d = tan delta ist vorwiegend abhängig vom Material
des Dielektrikums. Nach Unterlagen der Firma WIMA kann man von
folgenden Werten ausgehen (bei 1 kHz):
- Polyester: < 8 * 10E-3
- Polycarbonat: < 3 * 10E-3
- Polypropylen: < 5 * 10E-4
- Polyphenylensulfid (PPS): < 15 * 10E-4
- Papier: < 13 * 10E-3
- Keramik: 1*10-3 … 25*10E-3
Hier noch Zahlenbeispiele, welche Werte Rr und Rp annehmen können (tan delta = 5 * 10-3, f = 1000 Hz):
C = 1 µF: Rp = 32 kOhm Rr = 0,79 OhmF
C = 100 nF: Rp = 320 kOhm Rr = 7,9 Ohm
C = 1 nF : Rp = 32 MOhm Rr = 790 Ohm
Induktivitätsmessung (L-Messung)
Induktivitätsmessungen sind am interessantesten, weil Spulen das
einzige Bauteil sind, das wir selbst herstellen können. Aber auch bei
fertigen Spulen ist der Wert oft unbekannt. Eigentlich müsste man im
rechten Brückenzweig eine Vergleichsinduktivität haben. Es geht jedoch
auch mit einer Kapazität, denn der induktive Widerstand ist der
Kehrwert des kapazitiven Widerstands. Das Ersatzschaltbild setzt sich
wieder aus einer reinen
Induktivität und einem Wirkwiderstand zusammen. In einer Spule
entstehen Verluste durch den Drahtwiderstand und durch die
Magnetisierungsverluste, wenn die Spule einen Eisenkern hat.
Die Verhältnisse sind hier nicht so leicht überschaubar, da kann die
Mathematik helfen. Die Berechnung solcher LCR-Netzwerke erfolgt
vorteilhaft mit komplexen Zahlen. In Wikipedia ist diese Methode unter
dem Stichwort „Wechselspannungsbrücke“ an Beispielen gezeigt. Hier sei
nur das Ergebnis präsentiert:
Lx = R1*C1 * R2
Rx = R1*R2 / R3
Weil R1 und C1 Konstanten sind, ist Lx proportional zu R2. Rx ist von
R2 und R3 abhängig, es müssen also wieder beide Widerstände zusammen
abgeglichen werden. Die Frequenz spielt auch hier keine Rolle.
Zur Kennzeichnung der Qualität einer Spule wird der sogenannte
„Gütefaktor Q“ verwendet. Bei dem Industriegerät ist „Q“ am
entsprechenden Potentiometer angeschrieben. Wie hängt das mit Rx
zusammen? Bei einer Reihenschaltung werden beide Bauteile vom gleichen
Strom durchflossen, an einer Induktivität eilt aber der Spannungsabfall
dem Strom um 90° voraus, an einem Ohm‘schen Widerstand sind beide in
Phase. Die beiden Spannungen werden geometrisch addiert und man erhält
eine Phasenverschiebung zwischen Strom und Spannung, also den
Phasenwinkel phi. Der Ergänzungswinkel auf 90 Grad wird als Verlustwinkel
delta bezeichnet.
Es ist:
Verlustfaktor d = tan delta = Rx / (omega * Lx)
Gütefaktor Q = 1 / d = omega * Lx / Rx
Setzt man für Rx und Lx die oben angegebenen Gleichungen ein, erhält man:
d = 1 / (omega * C1 * R3)
Q = omega * C1 * R3
Der Gütefaktor ist also proportional zu R3 und man kann an die Skala
die entsprechenden Zahlen anschreiben. omega ist die „Kreisfrequenz“.
Es ist omega = 2 Pi* f. Dabei ist f die Frequenz in Hertz (Hz). Der
Gütefaktor ist also frequenzabhängig.
Bild 3: AC Bridge BR-8S. Prinzipschaltplan für Induktivitätsmessung
Windungsverhältnis (Ratio)
Als Besonderheit kann auch das Windungsverhältnis einer
angezapften Spule ermittelt werden. Normalerweise würde man einen
Wechselstrom durch die Spule schicken und die Spannungen messen. Die
Spannungen verhalten sich wie die Windungszahlen. Hier ist die Sache
aber trickreicher gelöst.
Der Strom i1 führt zu einem magnetischen Fluss Phi1 = c * n1 * i1.
Der Strom i2 führt zu einem magnetischen Fluss Phi2 = c * n2 * i2.
c ist eine Konstante, in der die Wirkungen der Spulengeometrie und des
Eisenkerns zusammengefasst sind, n1 und n2 sind die Windungszahlen.
Wichtig ist, dass beide Teilspulen vom gleichen magnetischen Fluss
durchströmt werden, die beiden Teilspulen sollten also übereinander
gewickelt sein.
Phi1 und Phi2 wirken gegeneinander. Bei abgeglichener Brücke heben sich
beide auf und die Spule hat keine Induktivität (Phi1 = Phi2, n1*i1 =
n2*i2). Es bleibt nur der Drahtwiderstand der Spulen. Der
Drahtwiderstand ist normalerweise viel kleiner als R1 und R2 und kann
vernachlässigt werden. Es ist dann:
i1 = u/R1 und i2 = u/R2
i1/i2 = R2/R1 = n2/n1
Die Bereichsangaben stellen offensichtlich das Verhältnis von R2/R1 dar
und somit auch das Windungsverhältnis. Beispiel: R1 = 1 Ohm, R2 = 10 …
11100 Ohm -> R2/R1 = n2/n1 = 10 … 11100
Bild 4: AC Bridge BR-8S. Prinzipschaltplan für Windungsverhältnis.
Download: Dieser Artikel als PDF mit der korrekteren Schreibweise der griechischen Formelzeichen.
RCL-Messbr%C3%BCcke2.pdf
Siehe auch:
RLC-Brückenschaltungen mit Röhren