Interessante OPAmp Schaltungsvarianten

von Rudolf Drabek                   
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Auf der Elo Webseite http://www.elo-web.de/elo/grundlagen-ausbildung/operationsverstaerker findet man eine umfangreiche Basis zu Operationsverstärkern. Darauf aufbauend und in der Annahme, dass sie schon etwas Praxis mit Experimenten gewonnen haben, möchte ich folgende Schaltung vorstellen:

 

 

 

Es ist ein Differenzverstärker. Wenn vor den Eingängen 1 und 2 noch je ein Spannungsfolger vorgeschaltet wäre, handelte es sich um den einfachsten Fall des Instrumentenverstärkers. Der Eingangswiderstand wäre dann sehr hoch und symmetrisch, aber für die folgenden Betrachtungen braucht man dies nicht. Ein Beispiel siehe:   http://www.elo-web.de/elo/bauprojekte/schaltungstechnik/der-rc-generator-einst-und-jetzt

 

1.      Zur Erinnerung nochmals die Grundregeln für die einfache Anwendung von OPAmp’s:

 

1.1 Vernachlässigbarer Eingangsstrom, was bei FET-Eingang, am Beispiel vom TL072 mit 5 pA Bias gut erfüllt ist. Zur Relativität von Größen: 5 pA sind noch

5e-12/1,6e-19 = 30 mio Elektronen pro Sekunde die in den Eingang fließen.

Aber selbst an einem 1 MOhm Widerstand fällt dann nur eine Spannung von

5 uV ab. Am Ausgang ergäbe sich aber schon eine Spannungsänderung  von 1V.

Wir kommen damit unmittelbar zur Regel 2.

 

1.2 Große Leerlaufverstärkung. Für praktische Anwendungen genügt schon eine Verstärkung von 20000….200000, die der TL072 als typischen Wert auch hat. Daraus ergibt sich die Regel, dass bei einer Ausgangsspannung innerhalb der      Speisespannungsgrenzen, also im linearen Aussteuerbereich:

Die Spannung am + Eingang ist gleich der Spannung am – Eingang.

Ein Beispiel: Die Ausgangsspannung sei 4V, also ist die Eingangsspannungsdifferenz    4 / 200000 = 20 uV, was tatsächlich praktisch gegen NULL geht.

 

1.3 Der Ausgangswiderstand soll klein sein gegenüber dem Lastwiderstand.

Das ist  beim TL072 bis 2 kOhm Lastwiderstand gut erfüllt.

 

 

 

2.  Die Schaltung wird nun abgewandelt zu:

 


 

 

Anstelle von R4 werden folgende Bauelemente eingefügt und die sich ergebende Auswirkung diskutiert.




Fall 1: R4 ist noch vorhanden



Fall 2:  kein Bauelement, R4 fehlt also
 

Fall 3: ein Schalter offen, bzw. geschlossen

   

 

Fall 4: eine Diode  

        

 

Fall 5: Ein Kondensator C oder eine Induktivität L


Nachfolgend wird immer Regel 1.2 angewandt.

 

2.1  R4 ist noch vorhanden

 

Formeln für die Berechnung finden sie z.B. unter

http://www.elektronik-kompendium.de/sites/slt/0210153.htm

Wir nehmen einen Fall praktisch durch, da Formeln alleine nicht so gut zum Verständnis beitragen. Natürlich ist die Mathematik später für die Dimensionierung unerlässlich.

 

R1…R4 ist 10 kOhm, Uin sei 2 V. Durch den Spannungsteiler R2/R4 liegt am + Eingang des OPAmp dann 1V. Mit Regel 2 liegt auch am – Eingang 1V.  Also liegt an R1 auch 1V. An R3 demzufolge auch, da der gleiche Strom ja durch R1 und R3 fließt. Als Konsequenz muss also auch die Spannung Uaus Null Volt sein.

Mit Uin  ist 4 oder 6V, jedes Mal ist die Ausgangsspannung Null!

Die Verstärkung ist also NULL.

Das ist auch gut so, da, wenn keine Spannungsdifferenz zwischen den beiden Eingängen vorliegt (sie sind ja verbunden), so soll es auch keine Reaktion des Ausgangs geben.

Man spricht von der Gleichtaktunterdrückung oder „Common mode rejection ratio“ CMRR das in den Datenblättern angegeben ist, die ja fast nur in Englisch vorliegen.

 

 

 

2.2 R4 fehlt, die Symmetrie von 2.1 ist heftig gestört.

 

Uin sei wieder 2V.  Da kein Eingangsstrom am + Eingang fließt, er ist ja hochohmig, , so liegen 2 V am + und also auch am – Eingang. Es fließt also kein Strom durch R1 und als Konsequenz auch nicht durch R3. Die Ausgangsspannung ist also auch 2 V.

Die Verstärkung ist also +1

 

2.3.1  Der Schalter ist offen.  Es gilt das unter 2.2 Beschriebene

 

2.3.2  Der Schalter ist geschlossen.

 

Uin sei wieder 2V. Am + Eingang liegt also 0 Volt und damit auch am – Eingang. An R1 liegt also 2 V. Deshalb auch an R3.

Die Ausgangsspannung ist also -2V.

Die Verstärkung ist -1. Es ist die klassische Inverterschaltung.

 

Jetzt wird es ein wenig sichtbarer was gemeint ist mit „Interessanten Schaltungsvarianten“

Durch öffnen oder schließen des Schalters kann die Verstärkung von +1 auf -1 umgeschaltet werden. Eine einfachere Phasenumkehrschaltung ist kaum denkbar, die für viele Zwecke eingesetzt werden kann, z.B. um einen Kanal eines Stereoverstärkers in der Polarität umzuschalten. Sehr praktisch für die Ermittlung der richtigen Polung der Lautsprecher.

Bei richtiger Polung hört man die Bässe zwischen den Lautsprechern.

 

2.4 Eine Diode ist an Stelle von R4 verbaut

 

Jetzt geht es schon schneller voran mit der Erklärung.

Für positive Spannungen ist die Verstärkung +1 . Die Diode ist gesperrt

Für negative Spannungen ist die Verstärkung -1 . Die Diode ist jetzt leitend

Sie wissen doch noch: minus x minus gibt +.

Diese Schaltung ist also ein Vollweggleichrichter mit nur einer Diode.

 

2.5 Ein Kondensator oder eine Spule ist eingefügt.

 

Für tiefe Frequenzen ist die Impedanz des Kondensators sehr hoch, wie etwa der offene Schalter. Für hohe Frequenzen sehr niedrig, entsprechend dem geschlossenen Schalter.

 

Die Verstärkung wechselt also über die Frequenz von +1 auf -1.

Bei einer Spule ist es umgekehrt, die Verstärkung wechselt von -1 auf +1.

Genau genommen ändert sich nur die Phase um 180°. Die Amplitude der Ausgangsspannung bleibt konstant. Die Erklärung  folgt weiter unten.

 

So eine Schaltung nennt man einen Allpass. Mit 8 Allpässen lässt sich der gesamte Hörbereich um 90° in der Phase verschieben. Radioamateure brauchen eine solche Schaltung um SSB Signale zu erzeugen.

Es ist auch ein RC Generator möglich, der Sinus und Cosinus Signale gleichzeitig erzeugt. Ein Beispiel im nächsten Beitrag.

 

3.      Graphische Methode zu beweisen, dass der Allpass nur die Phase dreht,

aber die Amplitude konstant bleibt.

 

Relativ leicht einzusehen sind die Grenzfälle bei 0 Hertz und so hoher Frequenz, dass die Impedanz des Kondensators nur mehr, sagen wir, 1/1000_ stel der Widerstandes ist. Dass die Verstärkung von +1 auf -1 geht ist schon von dem vorher gesagten klar, es muss nur noch die Amplitudenkonstanz bewiesen werden.

Es ist dazu erforderlich, die bisher gebrauchte Gleichstromtechnik und rudimentäre Wechselstromtechnik zu erweitern und das Verhalten von Kondensatoren und Induktivitäten bei Wechselstrom, was unter Punkt 4 dargestellt wird, nämlich das Spannung und Strom durch das Bauelement um 90° phasenverschoben sind, zu beweisen. Man nennt solche Bauteile auch Blindwiderstande, die nicht mehr mit R sondern mit X bezeichnet werden. Oft findet man Rc oder Rl, was aber nicht ganz exakt ist, aber dazu später.

 Ich wähle mit Absicht graphische Methoden, da sie augenscheinlich, ohne Mathematik, erfasst werden können.

Die Schaltung unter Punkt 2 kann äquivalent wie folgt gezeichnet werden. Einmal wird die Eingangsspannung verstärkt um +1 und das andere Mal um -1. Daran angeschlossen ist das RC Glied R2 und der Kondensator C. Der Strom i fließt durch beide Elemente. Die Ausgangspannung wird an der Verbindungsstelle zwischen R2 und C abgenommen.


 

 

Die Spannungen werden als Pfeile dargestellt und die Spitze soll die + Richtung, das andere Ende die – Richtung angeben.


UR2 und Uc stehen zueinander immer im rechten Winkel, siehe Punkt 4. Ein halbes Rechteck, ein Dreieck also, hat nun einmal einen rechten Winkel, was völlig logisch ist. Egal welche Form das ursprüngliche Rechteck hatte. Bedingt dadurch kann sich die Pfeilspitze von Uaus nur am Kreisbogen bewegen. Dieses Gesetz hat Thales von Milet schon im 6. Jhdt.  vor Christus herausgefunden.http://de.wikipedia.org/wiki/Thales Darum heißt dieser Umkreis eines rechtwinkeligen Dreiecks auch Thaleskreis.

 

Die Spannung Uaus ist an jedem Punkt des Kreisumfanges natürlich gleich groß, nur der Winkel zwischen Uein und Uaus ist verschieden groß. Bei tiefen Frequenzen fast 0°, bei hohen Frequenzen fast 180°. Das ist damit bewiesen.

 

4.      Beweis dass der Wechselstrom durch den Kondensator der Spannung um 90° voreilt

 

Im Wiki findet sich eine Menge darüber, nur der Beweis nicht.

http://de.wikipedia.org/wiki/Kondensator_%28Elektrotechnik%29

http://de.wikipedia.org/wiki/Blindwiderstand

http://www.uni-protokolle.de/foren/viewt/156006,0.html

Beim letzten Link hat schon einmal jemand in 2007 danach gefragt.

Normalerweise kann das mit Differential und Integralrechnung bewiesen werden. Ich möchte es aber allgemeinverständlich, aber natürlich einwandfrei richtig beweisen.

 

Ich möchte ausdrücklich betonen, dass ich annehme,  dass viele Leute, die math. gut vorgebildet sind, sich bei der Lektüre dieses Abschnittes langweilen werden. Aber meine Intention ist es eben, es allgemein verständlich darzustellen. Aber man kann den Abschnitt ja überlesen.

 

Ein Kondensator ist ein Stromspeicher. Schickt man Strom eine zeitlang hinein, so erhöht sich die Spannung am Kondensator. Wie schnell sich die Spannung erhöht hängt von der Kapazität des Kondensators ab und wie hoch der Strom ist.

Es existiert also eine Beziehung zwischen diesen 4 Werten, die, kann man sagen, gut bekannt, bzw. in Erinnerung ist.

 

                         Uc * C  =  i  * t                                 Uc…. Spannung am Kondensator

                                                                                  C…….die Kapazität desselben

                                                                                  i……..der Strom, der fließt

                                                                                  t……..die Zeit, wie lange der Strom  fließt

 

Ein passendes Beispiel ist das Blitzgerät in einem Photoapparat älterer Bauweise, wo nachdem es blitzte, ein Pfeifen oder Summen hörbar war, bis die Ladekontrolllampe aufleuchtete und damit der Aufladevorgang beendet war.

Typisch war eine Zeitdauer von etwa 10 Sekunden.  Die  Spannung  am  Kondensator  mit 300 uF  war dann etwa 300 V. Ich habe so was aus Einmalkameras, wo nur eine 1,5 V Batterie verwendet wird.

 

Der Strom i war also im Mittel   300 uF * 300 V / 10 Sekunden = 9 mA

Das ist ein sehr kleiner Strom an sich, aber berühren sie nie so einen auf 300 V aufgeladenen Blitzkondensator. Es könnte tödlich sein!

 

Wir wandeln die Formel etwas ab für eine bestimmte Zeitdauer und nennen diese dt.

Folgedessen wird auch die Spannung am Kondensator auch nur um eine gewisse Spannung steigen und nennen diese dU. Die Formel sieht also so aus:

 

                        dU = i * dt / C

Man kann auch sagen: Links des „=“ steht die Wirkung , auf der rechten Seite der Gleichung die Ursache.

Die Wirkung, das Ergebnis einer Aktion,  kommt immer *nach* der Ursache (man diskutiert das übrigens in der Quantenphysik, ob man sich nicht etwas Wirkung vor der Ursache ausborgen kann in Analogie zu einem Bankkredit).

Diese Beziehung verwenden wir nun in einem Excelsheet. dt wählen wir ziemlich klein und stellen die Spannung U am Kondensator dar, die aus der *Summe* der einzelnen Ladespannungsschritte dU gebildet wird. Wenn alles gut geht sollte sich dann die 90° Beziehung zwischen Spannung und Strom zeigen!

Einen sinusförmigen Strom mit 50 Hz nehmen wir als Stimulus / Ursache.  Alle  0,5  ms  wird berechnet um welchen Betrag sich die Spannung am Kondensator geändert hat. In der Integral- als auch Differentialrechnung ist diese Zeitspanne unendlich klein, aber nicht NULL!

Eine 50 Hz Periode dauert 20 ms. Wir schauen also 40 Mal je Periode nach was geschieht.

Dies reicht aus, sonst würde z.B. DSP nicht funktionieren. DSP Prozessoren kennen auch keine höhere Mathematik. Dort macht es die Software, aber in endlich kleinen und nicht unendlich kleinen Schritten.

 

Nebenbemerkung: Sir Isaac Newton und Leibnitz, die etwa zur gleichen Zeit die Differential- und Integralrechnung erfunden haben, hätten diese IMHO sicher erst später entdeckt, hätten sie damals schon Computer zur Verfügung gehabt, wie wir es heute haben.

 

Download: 90_grad.xls


Die Exceldatei ist im Bericht includiert. Die Eingabefelder sind markiert und sie können alle Werte verändern.

Man sieht deutlich, dass du noch in Phase mit dem Strom i ist. Erst die *Summierung* (die Integration) der einzelnen du macht dann die 90° Phasenverschiebung aus. Die Spannung (Wirkung) eilt dem Strom (Ursache) nach. Man könnte sogar sagen, dass ist doch alles ganz logisch! Genau das wollte ich erreichen und zeigen, dass hinter höherer Mathematik kein Geheimnis verborgen ist.

Analog dazu reagiert eine Induktivität bei Wechselstrom. Nur ist dort die Spannung die Ursache und der Strom die Wirkung. Der Strom eilt der Spannung nach. Deshalb sehe ich keine Notwendigkeit  das weiter  ausführen.



Phasenverschiebung beim Drehstrom, von Wolfgang Zimmermann,  DL1WOL

Ein ergänzender Hinweis zur Phasenverschiebung: Beim Drehstrom sind drei Phasen/Punkte um 120° verschoben. Betrachtet man nun ein RC-Glied zwischen L1 und L2, dann kann man die Spannungs-Punkte von L3 aus bestimmen: Und siehe: Diese zeichnerische Verschiebung (Thales-Satz) stimmt: Man kann sie nun wirklich mit dem Voltmeter nachmessen!

In meiner Elektrikerlehre haben wir 1979 einen elektronischen Drehfeldmesser gebaut, bei dem zwei RC-Glieder jeweils zwischen L1und L2  und  zwischen L2 und L3 eingebaut waren. Bei richtigem Drehsinn fielen diese Spannungs-Punkte zusammen und die Glimmlampe blieb dunkel. (Genaugenommen ist das RC-Glied ein RRC-Glied. Zwischen den R-R wird dann die Glimmlampe angschlossen. Hier eine kurze Skizze:


L1-----R--+--R----C------L2 
          ! 
          ! 
      Glimmlampe 
          ! 
          ! 
L2-----R--+--R----C------L3 


Und das ganz noch zweimal: einmal für "Rechtsdrehung" und einmal für "Linksrum" (= falscher Anschluss!)
Siehe auch hier: http://de.wikipedia.org/wiki/Drehfeldmessger%C3%A4t

P.S.: Ihnen muss ich ja nicht schreiben, dass Drehstrom bis zu 400 V hat, bitte Vorsicht!

 


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