Kosmos-Baukästen ab 1930         

von Klaus Leder
Auszug aus "Geschichte der Experimentierkästen", Kap 1

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Experimentierkasten Elektromann, Kosmos,1950er Jahre

Aus dem Taschenbuch: Geschichte der Experimentierkästen: Elektrizität, Chemie, Optik, Mechanik und Biologie
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Sie auch: Franckh-Kosmos "... von nicht verklungener Wirkung ...": 200 Jahre Verlagsgeschichte im Spiegel der Zeit
https://www.amazon.de/Franckh-Kosmos-nicht-verklungener-Wirkung-Verlagsgeschichte/dp/3440175618

Im Jahr 1903 wurde in Stuttgart Kosmos Gesellschaft der Naturfreunde gegründet, deren monatlich erscheinende Zeitschrift Kosmos von der Franckh´schen Verlagshandlung herausgegeben wurde. Seitdem wurden vom Verlag zahlreiche Bücher publiziert, die für jugendliche und erwachsene Leser naturwissenschaftliche Themen erschlossen.



Abb. 1.32: Werbeanzeige für Bastelbücher von H. Günther. Franckh´sche Verlagshandlung, ca. 1930

Der schweizer Sekundarlehrer Wilhelm Fröhlich (1892-1969) suchte nach Wegen, den Landschulen einen experimentellen naturwissenschaftlichen Unterricht zu ermöglichen. Fröhlich sah die Schwierigkeiten, die für Schüler mit dem Selbstbau der Apparate verbunden waren. Die fertigen Apparate von Lehrmittelfirmen wie Meiser & Mertig waren zu kostspielig und sie förderten nicht die von Reformpädagogen wie Kerschensteiner und Gaudig geforderte Selbsttätigkeit der Schülerinnen und Schüler.



Abb. 1.33: Wilhelm Fröhlich bei der Versuchsvorbereitung im Physikunterricht. Archiv Fröhlich
Abb. 1.34: Werbung für das Lehrspielzeug Elektromann,Kosmos 1939

In der Schrift Wie die Kosmosbaukästen entstanden (1953) beschreibt W. Fröhlich die hohe Motivation der Jugendlichen für das Experimentieren und die ungenügenden schulischen Voraussetzungen:

Meine eigene Erfahrung als Schüler und meine späteren Beobachtungen als Lehrer haben mir gezeigt, wie sehr gerade der 12-15jährige Schüler nach solcher eigenen Experimentiertätigkeit hungert. Hatte ich doch als Schüler nicht gerastet und geruht, bis ich Versuche, die vielleicht in der Schule gezeigt wurden, oder im Lehrbuch erwähnt waren, mit selbstgebastelten und oft sehr primitiven Apparaten selbst ausgeführt hatte. Die dabei zu überwindenden Schwierigkeiten sind mir noch heute lebhaft gegenwärtig. Es fehlte jedes geeignete Material und vor allem eine ausreichende Anleitung zu den Versuchen. Das alte Physikbuch war in seinen Andeutungen viel zu knapp und missverständlich. … An mir selbst hatte ich es erfahren und an meinen Schülern konnte ich es immer wieder beobachten, dass der Wunsch nach eigenen Experimenten in einem 10- bis 15jährigen Jungen fast übermächtig wird. Er will jetzt nichts mehr wissen von seiner Eisenbahn und nicht mehr mit seinen Metallbaukästen Türme und Krane bauen, sondern er will dahinter kommen, warum eine Taschenbatterie Strom liefert und wieso sich der Hammer der elektrischen Glocke bewegt. Weil er die Grenze seines Könnens noch nicht zu erkennen vermag, getraut sich der Junge an die schwersten Probleme und will gleich eine Dynamomaschine, eine Akkubatterie oder einen Funkeninduktor bauen. Das sind ausgerechnet die Geräte, die dem Bastler nie gelingen und darum habe ich von derartigen Bauvorhaben immer abgeraten. … Weil dieser Experimentierdrang den 12- bis 15jährigen fast wie eine Naturgewalt überfällt und später wieder verebbt, habe ich mir vorgenommen, diese Experimentierfreude meinem Unterricht dienstbar zu machen und den Schülern Gelegenheit zu eigenen Experimenten zu geben

Mit der Idee, keine fertigen Geräte, sondern nur Teile zu vielseitigem Zusammenbau zu entwickeln, nahm Fröhlich Forderungen der Reformpädagogen auf, ohne dabei einem Manualismus zu verfallen, den Kritiker den Reformpädagogen und der Arbeitsschule vorwarfen. Von seiner schulischen Arbeit ausgehend, wurde Wilhelm Fröhlich zum Erfinder des modernen Experimentierkastens. Der Erfolg dieses neuen Mediums hing von einer verständlich geschriebenen und gut illustrierten Anleitung ab, die didaktische Ziele verfolgte. Durch die Zusammenarbeit mit der Franckh´schen Verlagshandlung entstanden die Kosmos-Baukästen Elektro (1921), Optik (1923), Mechanik (1925), Chemie (1927) und Radio (1930), deren Materialien in Holzkästen mit Schiebedeckel ausgeliefert wurden.


Abb. 1.35: Der erste Baukasten Elektro von Kosmos im Holzkasten, 1922.
Bild: Archiv der Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG

Zer Baukasten Elektrotechnik wurde von Lehrern, aber auch von Privatpersonen sehr positiv rezensiert. Ein Bezirkslehrer schrieb in einer Werbeanzeige:

Der Schüler der oberen Klassen, der Lehrling, der Arbeiter, der technische Beamte, der Lehrer, sie alle werden sich für billiges Geld reichen Gewinn und angenehme Stunden verschaffen.

In der Anleitung des Baukastens Elektro von 1922 wurde auch der Aufbau eines Detektor-Radios beschrieben, bei dem eine Spule um vier Streichhölzer gewickelt werden musste. Zu der neuen Radiotechnik wurde 1930 ein eigener Baukasten entwickelt, der zwei Trioden enthielt.

Abb. 1.36:  Aufbau eines Detektor-Radios mit dem Baukasten Elektro. Kosmos, 1922




Abb. 1.37: Werbung für Kosmos-Baukästen Elektrotechnik, Optik, Mechanik, Chemie, Radio
der Franckh‘schen Verlagshandlung, ca. 1930


Abb. 1.38: Werbung für den Kosmos-Baukasten Elektrotechnik der
Franckh‘schen Verlagshandlung, ca. 1930

In einer Werbeanzeige der Franckh‘schen Verlagshandlung wendet man sich folgendermaßen an die Eltern:

So wollen Jungens spielen - und lernen. Spielzeug hilft erziehen und bilden. Deshalb bedeutet die Wahl dessen, was Ihr Junge auf dem Gabentisch finden soll, eine schwere Verantwortung für Sie. Sie wissen, am liebsten hat die Jugend technisches Spielzeug. Unterstützen Sie den Forscher- und Basteldrang Ihres Jungen. Sie helfen ihm dazu, daß er die Welt der Technik, in welcher er als Erwachsener zu wirken hat, schon jetzt kennen lernt. Aber schenken Sie nicht irgendein technisches Spielzeug: wählen Sie das Wertvollste, das noch nach Jahren Freude und Belehrung gibt, einen Kosmos-Baukasten.

In den 1930er Jahren wurden die Schul-Baukästen im Holzschuber durch preisgünstige Schüler-Kästen ergänzt, deren Materialien in Schachteln aus Karton untergebracht waren. Diese Lehrspielzeuge erhielten die Namen Elektromann (1930), Optikus (1932), All-Chemist (1932), Radiomann (1934), Technikus (1935) und Mikromann (3. Aufl. 1956). Die Deckelbilder der ersten Auflagen waren in Sütterlin beschriftet und mit Figuren verziert, die an Robotermännchen denken lassen. Nachfolgende Auflagen zeigten Kinder und Jugendliche beim Experimentieren, deren Kleidung und Haarschnitt Rückschlüsse auf die jeweilige Epoche ermöglichen.



Abb. 1.39: Deckelbild des ersten Experimentierkastens Technikus von Kosmos 1935

In einem Prospekt wird vom Verlag für Kosmos-Lehrspielzeuge wie folgt geworben:

Kosmos-Lehrspielzeug, das Spielzeug für unsere künftigen Techniker, Ingenieure und Wissenschaftler. Von kluger Hand geführt, erlebt die Jugend – in eigenen Versuchen atemlos und glühend vor Eifer – die großen Entdeckungen nach, die die Grundlage für unser heutiges Weltbild geschaffen haben. “Spielend” erwirbt sie in beglückenden Mußestunden Kenntnisse, die man immer gebrauchen kann – in der Schule wie vielleicht auch später im Beruf.

Die Lehrspielzeuge von Kosmos wurden über 40 Jahre lang in zahlreichen Auflagen an Familien verkauft. Dieser Erfolg ist auf die didaktisch geschickte Versuchsauswahl, die Texte der die Jugendlichen direkt ansprechenden Anleitungen und auf die perspektivischen Zeichnungen der Versuchsaufbauten von Erich Haferkorn zurückzuführen. Für die Entwicklung dieser Experimentierkästen verlieh die Universität Bern im Jahr 1957 Wilhelm Fröhlich die Ehrendoktorwürde.



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