Alte Experimentierkästen in neuer Funktion  

von Klaus Leder                
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Die 2. Hälfte des vergangenen Jahrhunderts war die Blütezeit der Experimentierkästen. Als Meilensteine für den Bereich Radiotechnik und Elektronik seien 4 Beispiele genannt.
 


Der von dem Schweizer Sekundarschullehrer Wilhelm Fröhlich konzipierte und bei Kosmos erschienene „Radiomann“ setzte im 20. Jahrhundert didaktische Maßstäbe, die später nicht mehr erreicht wurden. Die sehr motivierend geschriebenen Anleitungsbücher enthielten ein altersgruppengemäßes Versuchsprogramm, bei dem die Funktion eines jeden Bauteils modellhaft mit Text und Graphiken erklärt wurde. An der Anzahl der noch heute vielfach in Auktionen angebotenen Kästen lässt sich ihre damalige Beliebtheit und ihr Erfolg ablesen.
 



Der Ing. Heinz Richter schuf mit seinen ebenfalls von Kosmos herausgegebenen Kästen „Radio + Elektronik 7A, B, C und D“ in den 60er Jahren einen umfassenden radiotechnischen Lehrgang, der sich an ältere Jugendliche wandte und mehr dem systematischen Wissensaufbau als der Motivation verpflichtet war. Als bahnbrechend erwies sich die Pultform des Experimentierfeldes, das bei Kosmos in den nachfolgenden Kästen „Elektronik-Labor XG“ (1966), „electronic X3000-X4000“ (1986 ) und „electronic XN3000“ (1992) bis heute beibehalten wurde. 


 



Die zahlreichen Experimentierkästen der Fa. Philips (1974 - 1983) zeichneten sich durch interessante Schaltungen und neuartige Verbindungsklemmen auf Lochplatten aus, die sichere Drahtverbindungen gewährleisteten. 1983 bis 2002 wurde das Philipsprogramm von der Fa. Schuco weitergeführt. Bemerkenswert sind die beiden stabilen Schaltpulte mit Abdeckhauben und herausnehmbaren Lochplatten.


 


1976 präsentierte die Fa. Busch  ein Experimentiersystem mit Steckbausteinen und einem formschönen Schaltpult mit Abdeckhaube. Das engagierte Versuchsprogramm wurde durch mehrere Ergänzungskästen ausgebaut. Auf dem Markt geblieben sind erfreulicherweise die überarbeiteten Experimentierkästen von Kosmos (XN3000) und von Busch (Electronic-Studio).
 


Der Franzis-Verlag gibt in neuerer Zeit eine  Vielzahl von interessanten kleineren Baukästen und sog. Lernpaketen mit Steckplatinen zu verschiedenen Themen heraus. Die Lernpakete sind minimal ausgestattet und legen den Schwerpunkt auf  den korrekten Zusammenbau der Schaltungen, die Vermittlung von Grundlagenwissen erfolgt aber nur in geringem Maße.
 
Die Zeit der Entwicklung didaktisch anspruchsvoller Experimentierkästen scheint zu Ende zu gehen. Einige Bauteile sind immer schwieriger zu beschaffen, da Digitalisierung und SMD-Bauweise neue technische Maßstäbe setzen.
 
In verschiedenen Foren des Internets wird deshalb diskutiert, wie der ideale Elektronik-Experimentierkasten heute beschaffen sein müsste. Auf den Web-Seiten werden die mit viel handwerklichem Geschick, Werkzeugeinsatz und langer Bauzeit selbstgefertigten Schaltpulte vorgestellt.
 
Da bei Internet-Auktionen die sehr praktischen alten Schaltpulte noch erhältlich sind, bietet sich eine Kombination aus altem Pult und moderner Steckbrett-Verbindungstechnik als Alternative an. Sie ist wesentlich einfacher und zeitsparender zu verwirklichen als ein Neubau.
 
Für den Versuchsaufbau auf Steckplatinen benötigt man zumeist eine Pinzette und eine Lupe, denn die Anschlussdrähte von Widerständen und Kondensatoren sind inzwischen immer dünner geworden. Aufgrund der besonderen Anordnung der Kontaktfedern muss beim Versuchsaufbau die Schaltplantreue aufgegeben werden, was ein gewisser Nachteil ist. Die Vorteile der Steckboards sind jedoch in dem einfachen und schnellen Aufbau begründet, der platzsparend ist und auch die Verwirklichung komplexer Schaltungen mit ICs ermöglicht. Allerdings wünscht man sich die stabile Unterbringung in einem Gehäuse und den Bedienkomfort eines Schaltpults, in dem auch die Batterien, Schalter, Potis und Drehkos untergebracht werden können.
 


Bei dem Schaltpult von Philips/Schuco braucht man z. B. nur einige zusätzliche Löcher in die herausnehmbare Lochplatte zu bohren bzw. vorhandene Löcher für zusätzliche Potis und Drehkos zu erweitern. Platz- und zeitsparend können nun auf einer aufgeschraubten Steckplatine zahlreiche Schaltungen verwirklicht werden. Auf den Fotos ist als Beispiel der Aufbau des Conrad-MW-Retro-Radios in Verbindung mit dem Franzis-Lautsprecher-Verstärker zu sehen.


 
Vielleicht weckt ein derartiges Experimentierpult nostalgische Erinnerungen bei Vätern oder Großvätern und lässt sie mit ihren Kindern oder Enkeln manchen klassischen Schul- oder Elektronikversuch aufbauen. Es bleibt zu hoffen, dass heute die Jugendlichen in der Schule weniger „Kreidephysik“ betreiben und zu Hause nicht ausschließlich virtuelle Experimente am Computer durchführen, sondern auch selbst etwas aufbauen und untersuchen und „mit Kopf, Herz und Hand lernen“.

 



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