Röhrenradio-Projekt „Nebelspur“          

von Günther Zöppel                   
Elektronik-Labor  Lernpakete  Projekte  HF    


Beim Aufräumen im Bastelschrank fand ich in der hintersten Ecke ein lange verloren geglaubtes Paket mit wertvollem Inhalt: Ein Spulenrevolver aus dem Jahre 1955!!! Noch in den Anfangsjahren der DDR-Unterhaltungselektronik für die zahlreichen damals tätigen Bastler von der Gustav Neumann KG, Creuzburg/Werra (Thüringen) hergestellt, hatte mir ein befreundeter, aber leider bereits verstorbener Radioamateur  (R.I.P. Gert !!!) diesen zur Nutzung zur Verfügung gestellt. Leider geriet das Teil total in Vergessenheit, umso überraschter war ich ob des Fundes ;-)

Neulich hatte ich beim Antennenwettbewerb im Elektroniklabor  einen Bausatz RT100 zum Experimentieren mit Röhren gewonnen, also warum nicht ein Projekt damit realisieren ? So kam ich zum oben genannten Titel – ich nehme die Taufe gleich mal vorweg :

Nebelspur = Neuester Empfänger benutzt einen liegengebliebenen Spulenrevolver. Der etwas eigenartige Name soll daran erinnern, dass die Schaltungstechnik mit Röhren nicht im Nebel des Vergessens verschwindet, sondern eine verfolgbare Spur hinterlässt…

In mehreren Teilbeiträgen möchte ich über den Spulenrevolver selbst, die geplante Schaltung und deren Optimierung, den elektrischen und mechanischen Aufbau eines damit realisierten Empfängers im nostalgischen Holzgehäuse sowie den Einsatz meiner im Wettbewerb aufgebauten Rahmenantenne an diesem Gerät berichten.

 

Teil1 : Vorstellung des Spulenrevolvers

Zum Kennenlernen des Revolvers füge ich die für sich selbst sprechende Originaldokumentation bei.

Um die realisierbaren Frequenzbereiche K1/2, M und L etwas genauer zu bestimmen, habe ich die umschaltbaren Spulen mit einem L-Meter ausgemessen, bei jeweils zugeordneter Stellung des Wellenschalters :

Kreisspule zwischen Kontakten 3 und 6 :
K1    1,1 µH
K2    3,1 µH
M    173 µH
L     1,95 mH

 

Antennenspule zwischen Kontakten 3 und 7 :
K1    2,8 µH
K2    5,3 µH
M    1,15 mH
L     11,6 mH

 

Rückkopplungsspule zwischen Kontakten 3 und 4 :
K1    1,8 µH
K2    3,3 µH
M    100 µH
L   114,6 µH

 

Der für die beiden KW-Bereiche eingeschaltete Verkürzungs-C zwischen Kontakt 5 und 6 besteht aus der Parallelschaltung von 2 x 160pF-Keramikröhrchen, also 320 pF, die dann in Serie zum 500pF-Abstimmdrehko liegen.

 

Damit sollte doch ein passables Audion aufbaubar sein? Auch die Kontakte 1 und 2 können für einen Aux-Eingang genutzt werden.

Das ganze soll dann (als erster Ansatz) ein Niedervolttechnik–Audion werden, auf dem RT100 von AK ModulBus aufgebaut und in ECO-Technik realisiert (mit Rückkopplungsregler am G2 einer EF95, HF-mäßig mittels C geerdeter Anode und hochliegender Katode zur Rückkopplung der HF in die Kreisspule).

Dazu ist es nötig, die Masse etwas anders als in der Originalschaltung zu verdrahten, nämlich an Punkt 4 zu legen und die Katode an Punkt 3 (dann HF-mäßig hoch) anzuschließen. Das war auch der Grund, weshalb ich vorher die Induktivitäten ausgemessen habe, da dann die Spulen etwas anders (Rückkopplungs- und Kreisspule in Serie) gekoppelt sind. Zur rechnerischen Ermittlung der Abstimmbereiche und der dafür nötigen wirksamen Kapazität des Drehkos ist das von entscheidender Bedeutung. Eingriffe in die Originalverdrahtung des Spulenrevolvers möchte ich möglichst keine vornehmen, wenn es vermeidbar ist. Im Versuch wird sich zeigen, ob auf diese Art und Weise des Anschlusses ein vernünftiger Rückkopplungseinsatz und eine günstige Antenneneinkopplung zu erzielen ist.

 


Audion „Nebelspur“ Teil 2

Wie bereits im ersten Teil angekündigt, hatte ich den Aufbau wie geplant auf dem RT100-Board realisiert. Bei der Inbetriebnahme stellte sich jedoch heraus, dass die ECO-Schaltung nicht vollständig funktionierte. Es war zwar in den Abendstunden mit angeschlossener Antenne ein schwacher AM-Empfang möglich, jedoch mit dem Regler an G2 kein Rückkopplungseinsatz einstellbar und daher ließ die Empfindlichkeit der Schaltung zu wünschen übrig. Die Gleichspannungen an der Röhre stimmten jedoch alle, auch der Anodenstrom  lag im vernünftigen Rahmen und war mit dem Gitter 2 -Poti regelbar. Variationen der Bauelemente und der Betriebsspannung brachten auch kein positives Resultat. Erst der Ersatz des Sp122 durch diskret aufgebaute Spulen, die bereits einmal in einem anderen Röhren-ECO-Audion funktionierten,  ergab dann endlich ein einstellbares Rückkopplungspfeifen. Nun wurde mir auch mein Denkfehler klar : Die Spule, die bei meinem modifizierten Spulenrevolver-Anschluss die Kathode hochlegen soll, hat in der geplanten Verdrahtungsweise falschen Wicklungssinn und bewirkt so keine Mit-, sondern eine Gegenkopplung - und daher kann die Schaltung nicht schwingen. Da ich aber keinen Umverdrahtungseingriff (der den schönen historischen Sp122 entweihen würde ;-) ) am Schalter vornehmen wollte, habe ich ausprobiert, ob nicht auch eine andere aus der Historie bekannte Schaltung des Audions mit Niederspannung betreibbar wäre, und bin letztendlich experimentell bei folgender Schaltung gelandet (siehe Schaltbild 2), die dann auch als Grundlage für einen Aufbau eines nostalgischen Empfängers dienen soll.




Der Sp122 wurde in der Schaltung  genauso angeschlossen, wie es beim Audion in der Originaldokumentation vorgesehen war. Die Rückkopplungsspule wurde über einen C von 330 pF fest mit der Anode verbunden, der Schwingungseinsatz ist über das Rückkopplungspoti einstellbar, indem man für höchste Empfindlichkeit und Selektivität bis kurz vor den Schwingungseinsatz dreht. Die sonst übliche Gitterkombination beim Röhrenaudion wurde in den Kathodenkreis verlegt -  durch den Anodenstrom fällt an Rk eine geringe Spannung ab, die die Katode etwas positiver als das Gitter 1 vorspannt bzw. das Gitter etwas negativer als die Katode (je nachdem, wie herum man es sehen will) . Rk ist durch C1 HF-mäßig überbrückt. Durch diese Maßnahmen konnte der Schwingkreis am heißen Ende direkt mit G1 verbunden und am kalten Ende auf Masse gelegt werden. Damit der Querstrom durch das Rückkopplungspoti nicht zu hoch wird, wurde der auf dem RT100 vorhandene Regler von 10 k durch einen von 470k ersetzt, die Regelung (sehr stromarm) funktioniert damit genauso gut, und man spart Energie. C4 legt G2 HF-technisch auf Masse.



Um den vorhandenen Kopfhörer anzusteuern, wurde das Triodensystem der ECF80 benutzt, welches die aus der Audionstufe kommende NF an G1 über C3 gleichstrommäßig entkoppelt erhält. Die Gittervorspannung wird in dieser Stufe durch den Gitteranlaufstrom erzeugt, deshalb ist der Gitterwiderstand Rg relativ hochohmig zu wählen.

Im später geplanten Endausbau des Empfängers soll der jetzt zum Experimentieren angeschlossene Kopfhörer noch durch einen Arbeitswiderstand ersetzt und das daran abfallende Signal einer Leistungsendstufe zugeführt werden, evtl. über ein Lautstärkepoti, wobei ich mich noch nicht  festgelegt habe, ob diese Stufe in Röhren- oder Halbleitertechnik aufgebaut wird. Ein „Röhrenfeeling“ beim Klang ist auf alle Fälle durch den Einsatz des Triodensystems der Verbundröhre ECF80 für die NF vorhanden.

Bei dieser Gelegenheit habe ich gleich mal einige in der Bastelkiste vorhandene Röhren getestet, unter anderem ECF82, EF80, EL95 und mit angepasster Heizspannung auch deren Pendante aus der P- und U-Reihe.

Quintessenz des Ganzen :
Jede Röhre hat ihren eigenen Charakter, manche sind stur und wollen nicht schwingen, andere wiederum sind fast nicht zu bändigen. Durch Variation des Ra ließen sich aber die meisten an ihre vorgesehene Aufgabe gewöhnen, auch die Höhe von Ub spielt eine entscheidende Rolle, vor allem bei der sich ergebenden Lautstärke. Einige meiner vorhandenen Exemplare, die größtenteils aus alten Fernsehern stammen, waren aber derart vorgeschädigt, dass sie nicht mehr für den Zweck des Audions verwendet werden können. Bei Verbundröhren war aber ein System meist noch als NF-Verstärker brauchbar.

Zur Übersicht noch paar Werte :
Bei 24V Betriebsspannung ergeben sich z.B.
mit der ECF80 aus dem RT100-Board :
Anodenspannung je nach Stellung von P1  17…23 V an Rö1a,
Gittervorspannung dabei (an Rk = 22 Ohm gemessen)  1…6,7 mV d.h. es fließt ein maximaler Kathodenstrom von ca. 0,3 mA im Pentodensystem, der sich dann in Ia und Ig2 aufteilt, bei Ra = 47 k.
Andere getestete Röhren weichen davon etwas ab, auch wegen der Optimierung von Ra, aber in der Größenordnung liegen sie alle.

Die Schaltung wurde jetzt mehrere Tage getestet, vor allen abends und nachts sind damit trotz zahlreich abgeschalteter ehemals in der Nähe liegender AM-Stationen noch einige ferne Sender empfangbar, und darin liegt ja gerade der Reiz. Im nächsten Bauabschnitt werde ich also der hier vorgestellten Schaltung einen etwas geordneten Aufbau und ein entsprechend dem gelegentlichen Verwendungszweck angepasstes Gehäuse spendieren.


Teil 3 – Mechanischer Aufbau  Empfänger „Nebelspur“



Nachdem mittels RT100 die Schaltung des Audions zufriedenstellend optimiert wurde, sollte das Ganze nun ein etwas ansprechenderes Chassis und ein Gehäuse erhalten.



Vom Baumarkt besorgte ich mir Alublech (Dachdeckerbedarf) und Alu-Winkelschienen und fertigte daraus ein Blechchassis von ca. 25cm Breite x 19cm Tiefe  x 6 cm Höhe. Natürlich könnte man ein solches Chassis aus einem Stück biegen, aber in Ermangelung einer Abkantbank entschied ich mich, es so zu realisieren. Die Verbindung der einzelnen Blechteile geschah dann durch Bohren und Verschrauben. An der Unterseite sind ebenfalls zwei Winkel angebracht, die das ganze dann im Gehäuse an der Bodenplatte festhalten.



Ein gerade vorhandener Trafo aus einem Altreceiver, der 10 und 20 Volt Wechselspannung liefert, war als zentraler Stromversorger gerade recht und wurde mittels Winkeln auf der Chassisoberseite montiert. Für die Röhrenfassung wurde ein entsprechendes Loch gebohrt und diese ebenfalls mit 2 Schrauben M3 befestigt.



Der Drehko stammt aus einem Schrottradio, hat 2 Pakete je 500pF und einen Feintrieb 2:1. Es wurde nur ein Paket zur Abstimmung benötigt, wie in der Originaldokumentation des Sp122 beschrieben. Das vorhandene Skalenantriebsrad wurde um eine aufgeschraubte Sperrholzscheibe erweitert, die die Skalenscheibe trägt. Diese soll dann nach Zusammenbau durch die Frontplatte hindurch sichtbar sein und einen Anhaltspunkt geben, wo man sich frequenzmäßig befindet. Die Scheibe wurde aus dünner weißer Pappe gefertigt und mit Kreislinien versehen (dünner Faserschreiber mit Klebeband an Zirkel befestigt und Kreise gezeichnet) – später wird dann noch eine Eichung mittels Eichpunktgeber durchgeführt und die Kreislinien entsprechend markiert und mit Frequenzwerten beschriftet. Geplant ist auch noch eine seitliche Beleuchtung der Scheibe, das sieht dann im Dunkeln schön nostalgisch aus ;-)



Ein elektrisch defektes altes Poti.(Widerstands-Kohlebahn verschmort) diente wegen seiner schönen langen mechanisch solide geführten Achse als Basis für den Skalenantrieb. Nachdem die defekte Widerstandsbahn und die Endanschläge aus dem Inneren entfernt waren und das Poti wieder (mittels dünner Schrauben M2, die Haltenieten hatte ich ausgebohrt) zusammengebaut war, wickelte ich zwecks Verhinderung des Durchrutschens des Skalenseils etwas Isolierband um die Achse. Ein Skalenseil wurde 2x um die Achse geschlungen und an der Drehkoantriebsscheibe mittels Federzug befestigt. Durch diesen untersetzten Antrieb (6 mm Achse  zu 55 mm Drehkoantriebsrad) hat man eine sehr feinfühlige schlupffreie Abstimm-Möglichkeit. Der Drehko wurde mittels Winkeln auf dem Chassis befestigt, der Rotor ist elektrisch mit Masse verbunden.



Das Gehäuse wurde aus 3 mm starken Sperrholzplatten gefertigt und hat die Außenmaße von 28 cm x 16 cm x 23 cm. Es wurde wie bei vielen meiner anderen Projekte auch mahagonifarben gebeizt. Die einzelnen Seitenteile wurden durch Holzleisten miteinander verschraubt – an letzteren finden auch Front- und Rückplatte ihren späteren Halt.



Die Bedienknöpfe stammen auch alle von nostalgischen Geräten und ergeben ein angenehmes Handling.



Front- und Rückplatte wurden nach einigermaßen feststehender mechanischer Gestaltung mittels Front Designer von ABACOM am PC grafisch realisiert, ausgedruckt und auf entsprechend vorbereitete Sperrholztafeln geklebt und nach gründlicher Durchtrocknung mittels Laubsäge ausgesägt, gebohrt und die Durchbrüche (auch per Vorbohrung und Säge) realisiert.



Das Gerät ist seit geraumer Zeit einstweilen mit Kopfhörer in Betrieb und bringt vor allem auf den Kurzwellenbereichen in den Abend- und Nachtstunden noch zahlreiche Sender, aber auch auf Mittel- und Langwelle ist noch nicht völlige Ruhe. So hat sich der Aufbau durchaus gelohnt, auch hinsichtlich meiner Empfangsversuche mit der selbstgebauten Rahmenantenne, über die ich dann in einem späteren Beitrag  noch berichten werde.
Geplant ist ebenfalls ein Einbau eines NF-Verstärkers, da ja ein Lautsprecher bereits in die Frontplatte integriert ist. Momentan laufen mit dem RT100 Vorversuche, einen einigermaßen lautstarken Röhrenverstärker hinzukriegen, der mit Niederspannung betrieben werden kann. Sollte das Ergebnis zufriedenstellend ausfallen, berichte ich gerne darüber – ansonsten bliebe ja auch noch die Alternative eines NF-IC´s (z.B. LM386 o.ä.).



Die TA-Buchse soll später auch nutzbar sein (NF-Verstärker braucht man immer! ) – dazu schaltet man den Wellenbereichsschalter auf TA. Da der Sp122 nur einen einzelnen Arbeitskontakt für diesen Bereich aufweist, werde ich die Umschaltung des NF-Pfades per Relais realisieren. Es gibt also noch jede Menge Aufgaben – die nächsten  Beiträge sind in Vorbereitung.

G.Z.
Juni 2016

 


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