Mittelwellensender Nordkirchen

von Burkhard Kainka
 aus ELO 2009
Elektronik-Labor  Labortagebuch  ELO  

Vatertag - Motorradausflug. Mein Bruder (auch ein Vater) zeigte mir den Mittelwellensender Nordkirchen, nicht weit von seinem Wohnort. Die beiden Sendemasten mit je 100 m Höhe stehen auf einer großen Wiese, die man nur über Feldwege erreicht. Am Rande des Geländes stehen Warnhinweise. Wer einen Herzschrittmacher trägt, sollte lieber umkehren.

 

 

Den Tieren des Waldes scheint die Hochfrequenz nichts auszumachen, was beweist, dass sie keinen Herzschrittmacher tragen. Auf der Wiese direkt unter den Masten trafen wir ein Kaninchen, ein Reh und ein Wiesel.

 

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Das Betriebsgebäude des Senders wirkte verlassen. Solche Sender arbeiten heute völlig unbemannt. Der 100-kW-Transistorsender hat viele kleinere Sendeendstufen. Wenn eine ausfällt, hat der Sender eben 1% weniger Leistung, was keiner merkt. Da reicht es wenn ab und zu mal einer vorbeischaut und ein paar Module austauscht.

 

 

Die Sendemasten sind von einem einfachen Lattenzaun umgeben, was ein Foto durch die Lücken im Zaun erlaubt (Wer über den Zaun klettert wird gebraten!). Mit eingezäunt ist ein kleines Blechhäuschen mit der Antennenanpassung. Darin vermute ich riesige Spulen und Kondensatoren. Es gibt auch einen Ventilator, vielleicht weil die Spulen warm werden. Ein dicker „Draht" verbindet die Anpassung mit dem Fußpunkt der Antenne. Die Spule mit zwei Windungen ist vermutlich nicht in erster Linie Teil des Anpassnetzwerks sondern eher eine mechanische Entkopplung, damit das Schwingungen nicht das Häuschen zermürben.

 

 

Der ganze Mast steht auf einem Isolator aus Glas oder Keramik. Der Sockel ist mit Kupferblech verkleidet. Vermutlich ist es mit einem Netz langer Erdkabel verbunden, damit der Sender nicht nur die Wiese erwärmt sondern auch schön effektiv abstrahlt.

 

Wie groß ist wohl der Strom und wie hoch die Spannung? Geht man von Marconis theoretischen 30 Ohm aus, wären es bei einer Sendeleistung von 100 kW gerade mal 58 A und 1,7 kV. Aber die Antenne ist kürzer (100 m) als Lambda (546 m) -Viertel, da kommt noch etwas Blindleistung hinzu. Ich schätze, der Strom ist nicht größer als 100 A und die Spannung liegt unter 5 kV, was zur Dicke der Zuleitung und zur Länge der Isolatoren passt. Das klingt relativ harmlos und erklärt auch, warum weder die Digitalkamera noch mein Radio im Schatten des Senders ihren Geist aufgaben. An der Spitze des Mastes ist die Spannung dagegen sehr viel höher. Ein Segelflieger sollte Abstand halten, wenn er nicht heiße Füße riskieren will.

 

 

Ich hatte ein kleines Radio dabei und wollte natürlich wissen, ob es so nah am Sender noch funktioniert. Es funktionierte völlig ohne Rauchwölkchen, allerdings stark verzerrt. Und die Grenzen der Selektion waren endgültig überschritten: Trotz Superhet und ZF-Filter war der Deutschlandfunk nicht nur bei 549 kHz sondern über die gesamte Mittelwelle zu hören. Bei 642 kHz gab es eine laute Pfeifstelle. Ich habe diese Frequenz fotografiert um zu Hause mal nachzurechnen, was da wohl passiert. Der Taschenrechner sagt: 549 kHz * 2 = 1098 kHz, 1098 kHz - 642 kHz = 456 kHz, was der ZF des Radios entsprechen sollte. Also: Im Radio bildet sich eine Oberwelle der Grundfrequenz und interferiert direkt mit der Oszillatorfrequenz des Superhets.

Mit dem Radio war auch festzustellen, dass nur einer der beiden Sendemasten in Betrieb war. Der zweite wurde mal für Truck-Radio verwendet, jetzt aber offensichtlich nicht mehr. Mein Vorschlag: Sendet doch mal endlich DLF in DRM!

 Siehe auch: Sendeschluss für Mittelwelle (2015)  https://youtu.be/cxH7cUPcOFg