Digitaluhr eines DDR-Bastlers    

von Günther Zöppel              
    
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Beim Aufräumen meiner Hobbywerksatt fiel mir eine selbstgebaute Digitaluhr in die Hände, die ihr Dasein schon mindestens 40 Jahre in einer finsteren Ecke unbeobachtet fristete. Ein probeweises Einschalten zeigte sogar noch volle Funktionsfähigkeit. Ich erinnere mich, dass ich damals den hohen Aufwand scheute, ein TTL-Grab mit –zig Bausteinen zu bauen und bin einen anderen Weg gegangen.



Ein Bastlerfreund hatte mir damals eine Armband-Digitaluhr „aus dem Westen“ geschenkt, die Ende der 70er Jahre auf den Markt kamen,  und die er wegen defektem Display sowieso wegschmeißen wollte. Ich habe die Innereien dann ausgebaut und nach Anlegen der Betriebsspannung von ca. 1,5 V festgestellt, dass der auf der Grundleiterplatte vergossene Chip noch Signale an die Pins lieferte, die über Leitgummi zum Display führten. Durch Betrachtung des defekten Displays, schräg gegen polarisiertes Licht gehalten, konnte ich eine Skizze anfertigen, welche Pins auf der Grundleiterplatte welche Segmente des Displays treiben und so kam ich auf die abenteuerliche Idee, die (sehr hochohmigen) Chipausgänge zum Ansteuern einer Siebensegmentanzeige und diverser LED´s zu nutzen, welche die ehemalige Displayanzeige der defekten Uhr 1:1 nachempfinden sollten.



Die Schwierigkeit bestand darin, dass die Chipausgänge nicht statisch waren, sondern dass ein Segment der originalen  Anzeige immer dann aktiviert wurde, wenn der jeweilige Ausgang gegenphasig zu einem „Backplate“ – Signal, welches als Bezug für das gesamte Display diente, geschaltet wurde, und das mit einer Frequenz von ca. 32 Hz (oszilloskopisch ermittelt). Ich hatte damals einige Versuchsmuster des 6fach MOS-Transistors U105 zur Verfügung, und so baute ich die nötige Anzahl der Stufen für jedes Segment meiner geplanten Anzeige auf. Immerhin 9 IC´s mit je 6 MOSFETs , also konnte ich 54 Segmente bedienen, genau genommen nur 53, denn eine Stufe diente als Verstärker für das Backplate-Signal.



Damit die realisierte Anzeige nicht im 32Hz-Bereich flimmerte, musste noch eine RC-Schaltung jedes Segmentsignal etwas glätten, und so ist die Schaltung entstanden mit den Oderschaltungen am Eingang, die die Gegenphasigkeit der Signale detektieren und nur in diesem Falle den Ausgang der Treiberstufe aktivieren.



Etwas fummelig war die Anlöterei der dünnen  Drähte auf der Originalplatine zum Herausführen der Segmente mittels 0,1mm-CuL-Draht im sehr engen Raster, siehe oben. Die Originaluhr hatte auch noch eine Datumsanzeige sowie eine eingebaute Stoppuhr sowie eine zeitgesteuerte Alarm- bzw. Weckfunktion mit Ausgabe einer Melodie über Piezoscheibe als Lautsprecher. Auch eine zweite Zeit mit bestimmter programmierbarer Verschiebung zur Originalzeit konnte eingestellt werden, nutzbar für Sommerzeit oder Weltzeit.  Diese Funktionen konnten alle in meinem Aufbau nachgenutzt werden, dazu wurden die ehemals 3 Anschlüsse der Programmiertasten der Originaluhr ebenfalls herausgeführt. Auf der Originalleiterplatte war auch noch ein Miniatur-Trimmkondensator zu finden, der offenbar zum zeitgenauen Taktabgleich der Quarzfrequenz diente. Dessen Anschlüsse wurden ebenfalls herausgeführt und mit einem zusätzlich extern angeschlossenen Trimmer bequem abgleichbar gemacht. Zum Dimmen der doch etwas hellen 7-Segmentanzeigen für Nachtbetrieb wurde auch noch ein Helligkeitsregler für das Display eingebaut. Ein Netzteil liefert alle zum Betrieb nötigen Spannungen, ein Lautsprecher gibt das Alarmsignal  (Weckfunktion) wieder.


So war eine Uhr entstanden,  die ansonsten ein Vielfaches an zu dieser Zeit üblichen (und teuren !!) Bausteinen erfordert hätte. Meine Bastlerfreunde von damals fragten mich sehr oft, wie ich denn die vielen Funktionen auf so wenig Raum, wie das Gehäuse vorgibt, untergebracht hätte Sie waren alle vom dafür nötigen Aufwand der damalig vorherrschenden TTL-Technik abgeschreckt.  Nach der Uhren- „Wiederentdeckung“ erhält diese jetzt einen Ehrenplatz in meiner Hobbywerkstatt.

Günther Zöppel

März 2023



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