Im Oktober 1923 ging das erste offizielle deutsche Rundfunkprogramm auf Sendung. Die Museen für Kommunikation in Berlin und in Frankfurt widmeten 2021 mit der Austellung On Air. Hundert Jahre Radio diesem Medium eine Retrospektive. Hier wurde ein Einblick in technische Entwicklungen sowie in kulturelle, wirtschaftliche und politische Radiogeschichte gegeben. Publikumsmagnet waren die ausgestellten Empfangsgeräte, die eine überraschende Mannigfaltigkeit der Gehäusedesigns ihrer Zeit dokumentierten.
Die Erfindung des Transistors 1947 und die folgende Entwicklung der Halbleitertechnik führte zu einer stetigen Miniaturisierung in Elektronik und Radiobau. Die großen Röhrengeräte mit Magischem Auge und Drucktasten der 1950er und 1960er Jahre wurden von kleineren, leichteren und stromsparenden Transistorempfängern verdrängt.
Die Transistortechnik beflügelt seitdem die Bastelkultur, die Jugendliche zum Lötkolben greifen lässt. Eine Vielzahl erstaunlicher Projekte entstanden und Schüler und Schülerinnen gewannen dabei technische Bildung und manuelle Kompetenzen.
Die Entwicklung integrierter Schaltkreise und die Programmierung von Mikroprozessoren veränderte seit den 1970er Jahren Technik, Wirtschaft, Kommunikation und Freizeitverhalten. Computer, Internet und Smartphone sind heute allgegenwärtig. Die Programmierung von Robotern sind neue Herausforderungen für Jugendliche geworden. Die Veränderungen reduzierten manuelle Fähigkeiten und technisches Grundwissen. Angebote von Verlagen wie Kosmos und Franzis versuchen, diesen Mängeln entgegen zu wirken.
Digitale Radios sind heute durch Massenfertigung der Chips extrem preiswert geworden. Mikroprozessoren und digitale Programmierung ersetzen Schaltungen mit Schwingkreisen aus Spulen und Kondensatoren. Der in Amerika entwickelte Radiochip Si 4844 führte zum One-Chip-Radio und zum Bau extrem kleiner Empfänger. Jüngstes Beispiel ist das Mini-Radio mit 800 mAh-Akku und vielen Sonderfunktionen aus China, das nicht viel größer als eine Streichholzschachtel ist und für AM-Bänder eine aufschraubbare Mini-Loop-Antenne und für FM eine kleine Teleskopantenne besitzt. Das Radio nutzt einen SI4732 DSP-Chip und ein ESP32-S3 Mainboard mit 1,9inch IPS HD Farbdisplay.
Die Verfügbarkeit kleiner, billiger und trennscharfer Digitalradios chinesischer Produktion ermöglicht es Bastlern, alten, defekten Radios eine neue Funktion zu geben und sie vor der Verschrottung zu bewahren. Seit einigen Jahren werden Radios in Gehäusen im Retro-Stil produziert, die jedoch das billige Remake nicht verdecken können. Alte Original-Empfänger sind zumeist defekt oder in ihrer Funktion stark eingeschränkt. Deshalb werden sie meist entsorgt oder auf Flohmärkten oder im Internet für wenig Geld abgegeben. Alte Radios besitzen formschöne Gehäuse im Design vergangener Epochen. Sie erregen Aufsehen, wenn ihr Lautsprecher eine dunkle, gute Klangqualität liefert und an alte Zeiten erinnert.
Ausstellungswürdige und gut erhaltene Exemplare sollte man nicht verändern. Bei defekten Radios müssen aus Sicherheitsgründen das Netzkabel entfernt und auch die großen Elektrolytkondensatoren entladen werden. Bastler werden sicherlich einen Platz für den Einbau eines kleinen digitalen Radiomoduls finden oder durch Ausbau alter Bauteile Raum dafür gewinnen. Eine Integration der Drehregler und Umschalter kann auf verschiedene Weise gelöst werden. Die Anpassung an den großen Lautsprecher und eine Versorgung über ein Gleichstrom-Steckernetzteil sind weitere Schritte. Nach einer gelungenen Restauration findet der Oldtimer, nun mit High-Tech-Innenleben, sicherlich einen Platz im Bastelraum, in einem Gasthaus oder in einem Modegeschäft.
Im Folgenden werden einige digitale Radiomodule kurz vorgestellt, die sich für ein solches Projekt eignen.
Vor einigen Jahren gab es einen chinesischen Mikrochip, der auf der Rückseite eines kleinen Drehkos auf einer Platine vergossen war. Das Radiomodul DSPM2 lieferte auf allen Bändern gute Empfangseigenschaften in ausreichender Lautstärke, s. DSPM2-Weltempfänger als Bastelprojekt. Für UKW-Empfang in einer Plexiglasbox oder als Weltempfänger mit einem Lorlin-Drehschalter konnte das sehr kleine Modul platzsparend eingebaut werden. Leider ist das DSPM2 heute nicht mehr lieferbar.
Leicht einzusetzen ist der vom Franzis-Verlag herausgegebene UKW-Radio-Bausatz Wavy, s. Altes Röhrenradio-Gehäuse mit Wavy. Er enthält den digitalen Radiobaustein CL6017S, der auf eine spezielle Lochrasterplatine von AK Modul-Bus mit der gleichen Anordnung wie beim Steckbrett gelötet werden kann. Ein 9 V DC-Steckernetzteil kann die Stromversorgung übernehmen.
Das kompakte und sehr preisgünstige FM/MW 2 Band Radio DIY-3 aus China ist ebenfalls gut geeignet, da Drehregler und Schalter leicht ausgelötet und an anderer Stelle, z.B. an der Gehäuserückwand, eingebaut werden können. Der Ferritstab ist mit Antennenlitze bewickelt. Die Stromversorgung (3 V DC) kann über einen Akku oder ein Steckernetzteil erfolgen.
Das FM/MW/SW1/SW2 4 Band Radio DIY-4 ist ein Weltempfänger mit ähnlichem Aufbau wie das Modul DIY-3. Die kleinere Ferritantenne ist moderner Bauart und wird von einer Kunststoffhülle geschützt.
Ein kleiner UKW-Stereo-Empfänger mit Display wird ebenfalls von chinesischen Händlern preisgünstig angeboten. Er besitzt Drehregler für die Frequenz- und für die Lautstärkeeinstellung und wird mit 3-5 V DC versorgt.
Die Firma Vistron gab 2020 einen DAB+ Bausatz VDR 400 heraus, der speziell für den Einbau in ein Gehäuse konzipiert worden war, s. DAB+ Bausatz VDR 400 von Vistron. Das Paket enthält ein Mainboard, eine Display-Platine, Antennenkabel, 4 Drucktaster, zwei 3-Watt-Lautsprecher und ein Steckernetzteil für 12 V/1,0 A. Das 2,4“-TFT-Display kann über Touchfunktion oder über die 4 Drucktaster bedient werden. Das Hauptmenü enthält die 5 Elemente Senderliste, Einstellungen, Werkszustand, Wecker und Information. Das Menü Empfang zeigt den Sendernamen und gibt Empfangsparameter zu Multiplex, Pegel, SNR und Fehlerrate an. Im Kanalbanner werden Sender, Uhrzeit und Radiotext in 3 Zeilen angezeigt. Der DAB+ Bausatz ermöglicht es, dieses farbenfrohe Display in die beleuchtete Senderskala eines antiken Radios zu integrieren.
Der AM/FM-Empfänger von Retekess besitzt ein kleines, flaches Acrylgehäuse. Es kann an der Rückwand eines alten Radios befestigt werden. Die beiden AAA-Batterien können durch Akkus oder ein 3 V DC-Steckernetzteil ersetzt werden. Über einen Klinkenstecker wird die Verbindung zum Lautsprecher hergestellt.
Durch den Einbau preisgünstiger Module können alte Radios zu neuem Leben erweckt werden. Antike Gehäuseformen erzeugen nostalgisches Flair und Verwunderung über eine zuvor nie erreichte Klangqualität. Eine alte Bastelkultur erwacht wieder und bereichert die Akteure durch Einblicke in Technik, handwerkliche Fähigkeiten und ein funktionsfähiges Produkt.
Nachtrag (B.K.): Bei mir stehen mehrere alte Radios herum, die ein neues Innenleben gebrauchen könnten. Einen solchen Umbau habe ich mir schon oft vorgenommen und hoffe, dass ich bald mal dazu komme. Wenn jemand schon weiter ist, würde ich mich über einen Kurzbericht sehr freuen.