Elektromann, ein Kosmos-Lehrspielzeug von 1959 


Elektro-Experimentierkästen im Wandel der Zeit (4)

von Klaus Leder
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Im Jahr 1959 wurde die 19. Auflage des Lehrspielzeugs „Elektromann“ von der Franckh'schen Verlagshandlung angeboten. Die Ausstattung des Kastens lässt erkennen, dass die Mängel der Nachkriegszeit überwunden sind: Der Kastendeckel wirbt für das Produkt mit einem farbigen, großformatigen Foto eines Jungen, der seine selbstgebaute elektrische Klingel mit einem Taster einschaltet.





Die Materialien des Kastens sind verbessert worden. Es gibt drei Grundbretter aus Buchenholz und die Klemmen sind nicht mehr aus einer Zinklegierung sondern aus blinkendem Messing gefertigt.





In der 48seitigen Anleitung werden 120 Versuche in einer die Schüler ansprechenden Sprache beschrieben und durch zahlreiche, sorgfältig ausgeführte perspektivische Strichzeichnungen dargestellt.





Die Jungen und Mädchen, die damals mit Hilfe der selbstgebauten Taschenlampe ihren Karl May unter der Bettdecke noch bis spät in die Nacht hinein lesen konnten, hat der etwas altmodische Text des Anleitungsheftes nicht gestört. Der Elektromann war ein sehr erfolgreiches Lehrspielzeug, das weniger der physikalischen Begriffsbildung verpflichtet war, dafür aber Freude und Begeisterung bei den Jugendlichen erzeugte und ihnen ein Grundverständnis der elektrischen und magnetischen Phänomene vermittelte.





Wilhelm Fröhlich (1892-1969), der Erfinder der legendären Kosmos-Experimentierkästen, veröffentlichte im Jahr 1953 in einer Schrift der Franckh'schen Verlagshandlung den Artikel „Wie die Kosmos-Baukästen entstanden“. Der schweizer Sekundarlehrer Fröhlich schreibt:

Meine eigene Erfahrung als Schüler und meine späteren Beobachtungen als Lehrer haben mir gezeigt, wie sehr gerade der 12-15jährige Schüler nach solcher eigenen Experimentiertätigkeit hungert. Hatte ich doch als Schüler nicht gerastet und geruht, bis ich Versuche, die vielleicht in der Schule gezeigt wurden, oder im Lehrbuch erwähnt waren, mit selbstgebastelten und oft sehr primitiven Apparaten selbst ausgeführt hatte. Die dabei zu überwindenden Schwierigkeiten sind mir noch heute lebhaft gegenwärtig. Es fehlte jedes geeignete Material und vor allem eine ausreichende Anleitung zu den Versuchen. Das alte Physikbuch war in seinen Andeutungen viel zu knapp und missverständlich.“




An mir selbst hatte ich es erfahren und an meinen Schülern konnte ich es immer wieder beobachten, dass der Wunsch nach eigenen Experimenten in einem 10- bis 15jährigen Jungen fast übermächtig wird. Er will jetzt nichts mehr wissen von seiner Eisenbahn und nicht mehr mit seinen Metallbaukästen Türme und Krane bauen, sondern er will dahinter kommen, warum eine Taschenbatterie Strom liefert und wieso sich der Hammer der elektrischen Glocke bewegt. Weil er die Grenze seines Könnens noch nicht zu erkennen vermag, getraut sich der Junge an die schwersten Probleme und will gleich eine Dynamomaschine, eine Akkubatterie oder einen Funkeninduktor bauen. Das sind ausgerechnet die Geräte, die dem Bastler nie gelingen und darum habe ich von derartigen Bauvorhaben immer abgeraten.“

Weil dieser Experimentierdrang den 12- bis 15jährigen fast wie eine Naturgewalt überfällt und später wieder verebbt, habe ich mir vorgenommen, diese Experimentierfreude meinem Unterricht dienstbar zu machen und den Schülern Gelegenheit zu eigenen Experimenten zu geben.“

Fröhlich wollte weggehen von einer sich nur an der Wandtafel abspielenden "Kreidephysik" und der "Vorführphysik". Sein didaktisches Ziel war die Selbstbetätigung des Schülers. Es war die Zeit der Reformpädagogik, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts u.a. von dem Münchner Pädagogen und Begründer der „Arbeitsschule“ Georg Kerschensteiner (1854-1932) geprägt wurde.




Fröhlich berichtet in dem Artikel von einem Gespräch mit dem Leiter der Lehrmittelabteilung des Kosmos-Verlags:
Ich machte geltend, dass für Schülerversuche die Apparate möglichst einfach sein müssen und nannte einige Beispiele aus meiner Unterrichtspraxis. Die Verlagsleiter interessierten sich lebhaft dafür und erkannten, dass sie darin offenbar eine Arbeitsmethode vorfanden, die dem entsprach, was sie schon lange gesucht hatten: sie wollten ihren physikalisch interessierten Lesern eine Möglichkeit verschaffen, Physik nicht nur zu lesen, sondern im eigenen Experiment zu erleben. Sie ersuchten mich, die Geräte in einem handlichen Kasten zu vereinen und ein methodisch geordnetes Lehrbuch dazu zu schreiben.“





So entstand als erster der Kosmosbaukasten Elektrotechnik. Baukasten hieß er deswegen, weil er keine fertigen Geräte enthielt, sondern nur Teile zu vielseitigem Zusammenbau. Er war eigentlich mehr für die häusliche Beschäftigung von Leuten gedacht, die in ihrer Schulzeit keinen richtigen experimentellen Unterricht genossen hatten.“

Der Werbetext der Franckh'schen Verlagshandlung für den Elektromann von 1959 spiegelt etwas von der Lebenswelt der damaligen Schülergeneration wider:

Alles baut Elektromann, was man mit Strom betreiben kann!
Spulen, Drähte und Magnete sind beliebte Schätze in den Hosentaschen aufgeweckter Jungen. Der kleine Elektromann hat noch viel feinere Sachen wohlgeordnet in einem prächtigen Kasten. Besonders wertvoll ist sein Anleitungsbuch, das in munterer Weise erzählt, wie man 120 elektrische Experimente mit den vielen Teilen ohne irgendwelche Werkzeuge machen kann. Zum Beispiel eine selbstgebaute elektrische Klingel, mit der uns Mutter morgens von der Küche aus wecken kann, oder ein Geheimschloss für unsere Schublade oder einen Meldeapparat, der uns anzeigt, wenn jemand in unserem Zimmer war. Große Freude bereitet der Elektromagnet, mit dem wir einen Lastenheber, ein Kraftwerk, ein Telefon und einen Elektromotor bauen können.

Was werden eure Freunde staunen, wenn ihr eine selbstgebaute Signalanlage, einen Kompass, eine Alarmanlage oder gar ein Telegraphiergerät vorführt.“

Von technisch interessierten Mädchen, die heute bessere Physiknoten erzielen und im Studium oft erfolgreicher sind als männliche Studierende, war damals noch nicht die Rede.





Aufgrund seiner Empathie für Jugendliche und seiner exzellenten naturwissenschaftlichen Kenntnisse gelang es dem Sekundarlehrer Fröhlich, Experimentierkästen zu konzipieren und Versuchsanleitungen zu schreiben, die über einen Zeitraum von mehr als vierzig Jahren erfolgreich waren. Die Universität Bern verlieh 1957 Wilhelm Fröhlich für die Entwicklung dieser Experimentierkästen den Ehrendoktortitel. 1966 erhielt er die „Wilhelm-Boelsche-Medaille“ des Kosmos-Verlags.

s. a.
Märklin ELEX 503: Experimentierkasten der Oberklasse von 1932

Elektro-Experimentierkästen im Wandel der Zeit (1)

 

Experimentirkasten A. der Ernst Plank KG, Nürnberg 1866

Elektro-Experimentierkästen im Wandel der Zeit (2)

 

EFIX-Studio, ein Experimentierkasten der 1950er Jahre

Elektro-Experimentierkästen im Wandel der Zeit (3)

 


Geschichte der Experimentierkästen, Leseprobe



Auch in diesem Buch gehört der Elektromann dazu. Hier eine Leseprobe: Elektromann59.pdf

Taschgenbuch: https://www.amazon.de/Geschichte-Experimentierk%C3%A4sten-Elektrizit%C3%A4t-Mechanik-Biologie/dp/B0C2SM661N

Als gebundenes Buch: https://www.amazon.de/Geschichte-Experimentierk%C3%A4sten-Elektrizit%C3%A4t-Mechanik-Biologie/dp/B0C2SQ213H



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